Energiekrise:Was die Bundesregierung im Einzelnen beschlossen hat

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Bei der Vorstellung des Entlastungspakets, (von links): Grünen-Co-Chef Omid Nouripour, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und SPD-Co-Chefin Saskia Esken. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Um 65 Milliarden Euro wollen SPD, Grüne und FDP die Bürgerinnen und Bürger entlasten. Ein Überblick über die einzelnen Punkte - von Energiepauschale bis Wohngeld.

Mehr als 22 Stunden haben der Bundeskanzler sowie die Partei- und Fraktionschefs der drei Ampelparteien zusammengesessen, verhandelt, gestritten und gerungen, bevor feststand: Das dritte Entlastungspaket, mit dem die Regierung die extrem gestiegenen Energiepreise und die Inflation in Deutschland wenigstens ein Stückweit kompensieren will, wird ein Volumen von 65 Milliarden Euro haben. Damit ist es größer als die ersten beiden Pakete zusammen, die einen Umfang von 30 Milliarden Euro hatten. Finanzminister Christian Lindner spricht von einem "wuchtigen Entlastungspaket", ein Begriff, den Kanzler Olaf Scholz bereits bei der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg gebraucht und ein in diesem Sinne beschaffenes Paket in Aussicht gestellt hatte. Tatsächlich ist die Summe des Entlastungen höher als viele Beobachter das zuvor erwartet hatten. Ein Überblick über die einzelnen Maßnahmen:

Einmalzahlungen für Rentnerinnen und Rentner sowie Studierende: Die Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro, die alle einkommensteuerpflichtigen Bürgerinnen und Bürger zumeist im September erhalten, soll auch an Rentnerinnen und Rentner gezahlt werden. In welchem Monat das erfolgt, ist noch unklar. Studierende sowie Fachschülerinnen und -schüler erhalten eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro.

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Entlastung für kleine Einkommen: Geringverdiener sollen durch eine Entlastung bei den Sozialversicherungsbeiträgen unterstützt werden. Die entsprechende Einkommensgrenze soll bei sogenannten Midi-Jobs zum kommenden Jahr auf 2000 Euro angehoben werden. Sie liegt derzeit bei 1300 Euro, von Oktober an wird sie in einem ersten Schritt auf 1600 Euro erhöht.

Entlastung für alle Einkommen: Die sogenannte Doppelbesteuerung bei der Rente soll nach dem Willen der Koalition bereits 2023 und damit zwei Jahre früher abgeschafft werden. Rentenbeiträge sollen damit vom kommenden Jahr an voll absetzbar sein. Zudem wird die Homeoffice-Pauschale entfristet, mit der jährlich bis zu 600 Euro von der Steuer abgesetzt werden können. Der Arbeitnehmerpauschbetrag wird um 200 auf 1200 Euro angehoben.

Kindergelderhöhung: Das Kindergeld steigt zum kommenden Jahr für das erste und zweite Kind um 18 Euro pro Monat. Zudem soll der Höchstbetrag des Kinderzuschlags nochmals um 21 Euro auf 250 Euro angehoben werden.

Strompreisdeckel: Die Koalition will durch Eingriffe in den Strommarkt erreichen, dass die Preise beherrschbar bleiben. Gelingen soll dies laut Papier mit einer Preisobergrenze für Strom von Erzeugern, die nicht auf Gas angewiesen sind. Bleibt es dabei, dass einige Unternehmen durch die Kopplung von Gas und Strompreis hohe Zufallsgewinne erzielen, so will die Ampel diese Gewinne abschöpfen und für die Entlastung der Stromkunden verwenden. Die Einnahmen sollen dafür sorgen, dass Privathaushalte einen "Basisverbrauch" an Strom zu einem vergünstigten Preis bekommen. Um den Strompreis möglichst niedrig zu halten, wird zudem die zum 1. Januar 2023 geplante Erhöhung des CO2-Preises, der die Klimakosten von Energienutzung widerspiegeln soll, um ein Jahr verschoben. Damit würden sich auch die bisher vorgesehenen Folgeschritte 2024 und 2025 entsprechend um ein Jahr verschieben.

Wohngeldreform: Wohngeld-Empfängerinnen und -Empfänger sollen für die anstehende Heizperiode einen einmaligen Zuschuss erhalten. Ein-Personen-Haushalte bekommen 415 Euro, Zwei-Personen-Haushalte 540 Euro. Für jede weitere Person sollen 100 Euro gezahlt werden. Ab 1. Januar 2023 sollen eine sogenannte Klimakomponente und Heizkostenpauschale im Zuge einer Wohngeld-Reform dauerhaft Bestandteil der Leistung sein. Zudem soll der Berechtigtenkreis ausgeweitet werden.

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Bürgergeld: Bei der Leistung, die im kommenden Jahr Hartz IV ablösen soll, soll die künftig erwartete und nicht die in der Vergangenheit angefallene Inflation bei der Berechnung der Grundsicherung künftig stärker berücksichtigt werden. Auch bei der Höhe der Leistung gab es in der Koalition eine Annäherung. Das Bürgergeld soll zum Start rund 500 Euro pro Monat betragen. Für einen alleinstehenden Hartz-IV-Empfänger wären dies etwa 50 Euro mehr monatlich.

Nachfolge für das Neun-Euro-Ticket: Nach dem Vorbild der Sonderaktion, die von Juni bis August günstiges Fahren mit Bus und Bahn möglich machte, soll es künftig dauerhaft ein Ticket geben, mit dem bundesweit der ÖPNV genutzt werden kann. Die Koalition legt in ihrem Ergebnispapier aber weder Startzeitpunkt noch Preis fest. Sie nennt einen Preiskorridor von 49 bis 69 Euro und spricht von einer "zeitnahen" Einführung.

Schutz für Mieterinnen und Mieter: Kann jemand die hohen Preise für Gas und Strom nicht zahlen, sollen Sperren dennoch vermieden werden. Dem Papier zufolge soll das Energierecht angepasst werden, um Mieterinnen und Mieter vor dem Abschalten von Energie zu schützen.

Kalte Progression: Die nicht erwünschte Entwicklung, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trotz Gehaltssteigerungen einen Reallohnverlust erleiden, weil sie einen höheren Steuersatz zahlen müssen, soll abgemildert werden, indem der Steuertarif verändert wird.

Hilfsprogramme für Unternehmen: Die bestehenden Programme sollen bis zum 31. Dezember 2022 verlängert werden.

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